GfK:Intro:sich selbst bitten

Stand: 01-12-2011

Wieso muss ich mich erst selbst um etwas bitten?

Auch wenn es sich nicht um einen Konflikt mit sich selbst handelt, sondern um einen Konflikt mit jemandem im Außen, so beginnt der GfK-Prozess doch immer mit der Selbsteinfühlung. Der Grund dafür liegt in der Wirkung der Selbsteinfühlung. Ohne erfolgreiche Selbsteinfühlung ist man nicht genügend gelassen, um sich unvoreingenommen in den Konfliktpartner einfühlen zu können. Erfolgreiche Selbsteinfühlung ist also die Voraussetzung um echte Einfühlung geben zu können. Und da die Selbsteinfühlung, wie alle 4 Phasen des GfK-Prozesses, aus den 4 Schritten besteht, und die Bitte der letzte dieser Schritte ist, steht und fällt der Erfolg der Selbsteinfühlung mit der Bitte an sich selbst. Da diese erste Phase "stumm" ist (außer im Rahmen einer Übungsgruppe), versteht sich von selbst, dass dort niemand ist, den man um etwas bitten könnte, außer man selbst. Und da der Zweck der Selbsteinfühlung ist, mit sich selbst ins Reine zu kommen, gelassener, entspannter zu werden, bittet man sich selbst um das, was dazu hilfreich oder notwendig ist.

Was unterscheidet die Bitte an mich selbst von einer Bitte an jemand anderen?

Zuerst einmal etwas, worin sich die Bitte an sich selbst nicht von einer Bitte an jemand anderen unterscheidet: Die Bitte wird laut ausgesprochen!
Der Unterschied liegt im Empfänger. Du sprichst zu Deinem eigenen Unbewussten. Der Unterschied ist aber nicht so groß, wie Du vielleicht glaubst, denn auch eine Bitte an jemand anderen ist primär an das Unbewusste Deines Gegenübers gerichtet. Ob sie erfüllt wird, oder nicht, hängt hauptsächlich davon ab, ob Du sein Unbewusstes überzeugen konntest. Im Falle der Bitte an sich selbst ist aber besonders zu beachten, dass es von Deinem Bewusstsein zu Deinem Unbewussten geht. Und das Unbewusste ist semantisch einem Kleinkind ähnlich: Es achtet besonders auf das Ende des Satzes, kann mit doppelter Verneinung wenig anfangen und hat es gerne so konkret wie möglich, nicht abstrakt. Insofern Du die 4 Schritte (Beobachtung-Gefühl-Bedürfnis-Bitte) in Dir (vor den Augen Deines Unbewussten) durchlaufen hast, gibt es für Dein Unbewusstes keine Frage Deiner Ehrlichkeit, denn es war selber direkter Zeuge. Andere, die Du um etwas bittest, könnten an Deiner Ehrlichkeit zweifeln, Hintergedanken vermuten etc., was zu einer ablehnenden Haltung führen würde. Aber Dein Unbewusstes weiß positiv, dass Du es ernst meinst. Daher, und weil es ein integraler Teil von Dir ist, gibt es praktisch keine Möglichkeit für ein "Nein" als Antwort. Das ist der wichtigste Unterschied! Findest Du die richtige Bitte, wird Dein Unbewusstes sie Dir (Euch ;-) bestimmt erfüllen.

Wie konstruiere ich die Bitte im Detail?

Grundsätzlich natürlich genau so, wie auch jede andere GfK-spezifische Bitte:
  1. Die Bitte muss sich auf das Bedürfnis beziehen, dass Du im 3. Schritt als das wesentliche, unerfüllte erkannt hast. Die Erfüllung Deiner Bitte muss diesem Bedürfnis erkennbar dienen.
  2. Sie muss handelbar sein, d.h. konkret
  3. Sie muss positiv formuliert sein (also, was Du tun kannst, nicht was andere lassen sollten)
  4. Und zu guter Letzt muss sie im Jetzt und Hier erfüllbar sein.

Nun zu den Besonderheiten von Bitten an sich selbst, die sich daraus ergeben, dass es sich um innere Prozesse handelt. Da die Bitte sich auf eines Deiner unerfüllten Bedürfnisse bezieht, ist die erste Frage, ob Du Dir vorher schon bewusst warst, dass Du dieses Bedürfnis hattest, oder ob Du Dir erst im Verlaufe dieser Selbsteinfühlung darüber klar geworden bist, dass Du dieses Bedürfnis hattest. Wenn Dir dieses Bedürfnis neu ist, dann ist die Konstruktion Deiner Bitte ganz einfach: "Ich bitte mich, anzuerkennen, dass ich das Bedürfnis nach <neu gefundenes Bedürfnis> habe!". Z.B.: "Ich bitte mich, anzuerkennen, dass ich das Bedürfnis nach <Unterstützung> habe."
Nun wirst Du Dich möglicherweise fragen, warum so eine Bitte im Rahmen des GfK-Prozesses einen Unterschied in Deiner Haltung machen kann, und warum Dich so etwas in die Lage versetzen könnte, Deinem Konfliktpartner (also der Person, von der Du Dir offensichtlich Unterstützung erhoffst) nun echte Einfühlung zu geben. Die Antwort enthält zwei Aspekte, einen inneren und einen äußeren. Es kommt leider sehr oft vor, dass die Bedürfnisse von Kindern nicht ernst genommen werden. Demzufolge zeigt man ihnen auch nicht, wie ihre Bedürfnisse auf eine annehmbare Art zu befriedigen wären. Die Folge davon ist wahrscheinlich, dass die Kinder mit dem möglicherweise wirklich unkonstruktiven Ausdruck ihrer Bedürfnisse bei den Erwachsenen ganz schön anecken. Die normative Reaktion der nicht-GfK-geübten Erwachsenenwelt wird eine Pauschalkritik sein "Du bist <negativ>". Das Kind lernt, dass der Versuch, sich dieses Bedürfnis zu erfüllen, zu seiner generellen Herabsetzung führt, also zu dem Gegenteil von dem, was es sich wünscht: Geliebt zu werden. Leider führt das oft dazu, dass das Kind deshalb sein Bedürfnis negiert und nicht lediglich die Art, wie es versucht hat, sein Bedürfnis zu erfüllen, oder einfach die unerfreuliche Reaktion der Erwachsenen zu hinterfragen. So geht das unerfüllte und "Stress verursachende" Bedürfnis in den Untergrund, wo es fortan ein Guerilla-Dasein fristet, sich nicht nur der Kontrolle der Erwachsenen, sondern auch der eigenen Kontrolle entzieht und indirekt Stress macht. Es verhindert dann, dass Du offen und ehrlich um Unterstützung bitten kannst, und begünstigt ein manipulatives Verhalten, dass von Deinem Gegenüber "gerochen" und mehr oder weniger indirekt abgelehnt wird. Wenn es Dir aber gelingt, mittels Bitte an Dich selbst, Dein Bedürfnis aus dem Untergrund zu holen, es zu rehabilitieren, dann kannst Du wieder bewusst damit umgehen und (in diesem Falle) auch direkt, offen, ehrlich, nicht-manipulativ, vielleicht sogar enthusiastisch (Weihnachtsmann-Energie) um Unterstützung bitten. So einen Anteil von Dir selbst zu reintegrieren ist keine unbedeutende Kleinigkeit. Es kann ein ganz wesentlicher Schritt auf dem Wege zu einer umfassenden Selbstliebe sein. Es kann das Ende einer seit Jahren oder Jahrzehnten andauernden inneren Spannung sein und deshalb sehr befreiend wirken. Es kann Dich nachhaltiger glücklicher machen, als ein Paar neue Schuhe ;-)

Was ist mit Bedürfnissen, die für mich nicht neu sind?

Sollte das Bedürfnis, dass Du herausgefunden hast, nicht neu für Dich sein und von Dir auch anerkannt sein (was nicht das gleiche ist!), dann wäre der nächste logische Schritt, die Mitverantwortung dafür zu übernehmen, dass es erfüllt werden kann. Selbst bei Bedürfnissen, die ihrer Natur nach von anderen zu befriedigen sind (z.B. Unterstützung) kannst Du immer noch etwas dazu beitragen, dass sie es tun, nämlich indem Du Deinem Gegenüber deutlich machst, dass Du dieses Bedürfnis hast. Es geht natürlich nicht darum, Dein Gegenüber zu irgend etwas zu zwingen, nicht darum, Druck auszuüben. Aber andererseits solltest Du auch nicht erwarten, dass man Dir Deine Wünsche "von den Augen abliest". Nur weil Du z.B. jemandem Unterstützung in einer Form gegeben hast, ist damit noch lange nicht klar, dass Du eigentlich im Gegenzug auch Unterstützung erwartet hast. Nachdem Du also Dein Bedürfnis für Dich anerkannt hast, kannst Du etwas dazu beitragen, dass Dein Gegenüber zumindest anerkennt, dass Du ein bestimmtes Bedürfnis hast, auch wenn das nicht unbedingt bedeutet, dass er es erfüllt. So könnte eine Bitte an Dich selbst lauten: "Ich bitte mich, anzuerkennen, dass es meinem Bedürfnis nach Unterstützung hilft, wenn ich meinen Mitmenschen mitteile, dass ich dieses Bedürfnis habe." Oder, in einer etwas spezielleren Form für allzu zurückhaltende Naturen: "Ich bitte mich, anzuerkennen, dass es meinem Mitmenschen hilft, mich zu unterstützen, wenn ich ihnen frühzeitig sage, wann ich Unterstützung brauche." Solche Bitten an sich selbst sind geeignet, Hemmungen abzubauen, die einen vorher daran hinderten, um Unterstützung zu bitten. Sich zu bitten: "Ich bitte mich in Zukunft keinen Hemmungen mehr zu haben, um Unterstützung zu bitten." wäre keine GfK-gemäße Bitte. Ganz offensichtlich wäre sie nicht im Jetzt, sondern auf die Zukunft gerichtet . Zudem ist es nicht handelbar "keine Hemmungen zu haben" oder "mutig zu sein". Mut, Gelassenheit usw. sind nicht an sich zu erbitten, sondern konkrete Erkenntnisse sind anzuerkennen, die Mut und Gelassenheit nach sich ziehen. Ich zitiere in diesem Zusammenhang mal meinen verehrten Guru:

Frieden ist das Ergebnis von Kampf.
Kampf ist nur für die Mutigen.
Mut kommt von der Erkenntnis der Wahrheit.
Wahrheit wird durch Meditation realisiert.
Shrii Shrii Anandamurti

Insofern hat die Selbsteinfühlung mit abschließender Bitte an sich selbst in der Wirkung Ähnlichkeiten mit Meditation. Es ist eine spezifische und wirksame Methode der Autosuggestion um nachhaltige Verbesserungen zu erreichen, indem eine Wirkung auf das Unbewusste ausgeübt wird, das mächtiger und subtiler als das Bewusstsein ist.

Was ist mit Bedürfnissen, die ich nicht anerkennen möchte?

Es kommt vor, dass man ein Bedürfnis findet, mit dem man sich nicht so ohne weiteres identifizieren kann. Es wäre unklug dieses Bedürfnis sozusagen "mit Gewalt" per Bitte an sich selbst integrieren zu wollen. Du musst Dich schon wohl fühlen, mit dem Gedanken, ein bestimmtes Bedürfnis anzuerkennen. Die Bitte muss sich für Dich stimmig und "gut" anfühlen. Es kann vorkommen, dass Dir bei der Konstruktion einer Bitte klar wird, was für eine "Welle" das machen wird, wenn Du diese Änderung vornimmst. Das ist an sich nichts Schlechtes, nur beeindruckend und gewöhnungsbedürftig. Ein Bedürfnis, zu dem Du nicht stehst, ist etwas ganz anderes. In so einem Falle musst Du einen Prozess im Prozess starten. D.h., Du setzt den ursprünglichen Prozess im Verlaufe dessen Du über dieses fragwürdige Bedürfnis gestolpert bist, erst einmal aus. Dann eröffnest Du einen neuen Prozess, der einen Konflikt mit Dir selbst bearbeitet. Der Konflikt besteht darin, dass Du da offensichtlich ein bestimmtes Bedürfnis hast, es aber nicht anerkennen möchtest. Für diesen Prozess durchläufst Du die 4 Schritte der Selbsteinfühlung. Dabei wirst Du etwas Neues über Dich lernen und eine andere Bitte an Dich selbst stellen. Danach ist Deine Abneigung gegen das vorher gefundene Bedürfnis verschwunden, oder Du hast ggf. einen Fehler im vorherigen Prozess gefunden und das fragwürdige Bedürfnis anders oder genauer definiert. So oder so hat sich das Bedürfnis verändert bzw. Deine Einstellung dazu, und Du kannst mit dem neu gefundenen Bedürfnis bzw. der neuen Haltung zu dem alten Bedürfnis den ursprünglichen Prozess fortführen und mit einem guten Gefühl eine Bitte an Dich selbst formulieren.

Wie viele Stufen soll ich auf einmal durchlaufen?

Ich rate dazu, gemächlich vorzugehen. Wenn Du ein neues Bedürfnis gefunden hast, genügt es IMHO, es erst einmal anzuerkennen. Sollte sich zu einem späteren Zeitpunkt ein neuer Konflikt ergeben, in dessen Bearbeitung das früher einmal neu gefundene Bedürfnis erneut eine Rolle spielt, wäre es Zeit, die nächste Stufe zu nehmen und die (Mit-)Verantwortung für dessen Erfüllung anzuerkennen. Lediglich in dem Fall des "unerwünschten" Bedürfnisses, der es erforderlich macht, einen Prozess im Prozess zu starten, halte ich es für notwendig, das sofort oder sehr bald zu tun, da die erste Stufe ohne das Ergebnis des Unter-Prozesses nicht abgeschlossen werden kann. Man wäre in diesem Konflikt blockiert.

Wie mache ich die Bitte im Jetzt und handelbar?

Mein Lieblings-Trick ist das Wort "Anerkennung". Die Frage ist natürlich, was Dir selbst als handelbar erscheint, was für Dich Bedeutung hat. Andere Leute operieren lieber mit "Verantwortung" oder "Erlaubnis", je nach Typ. Für mich bedeutet die Anerkennung eine Handlung. Es ist eine kognitive Handlung. Ich erkenne an, dass etwas so-oder-so ist. Vorher war ich mir vielleicht nicht sicher oder mir war der ganze Umstand nicht bewusst, es hat mich vielleicht nicht interessiert oder es war mir nicht klar. Jetzt anerkenne ich einen bestimmten Zusammenhang, ich nehme ihn als gegeben hin, er wird Teil meines persönlichen Glaubenssystems, meiner Überzeugung. So habe ich eine Arbeit geleistet, eine Veränderung bewirkt, gehandelt, nicht nur gewünscht. Andere übernehmen lieber die Verantwortung für etwas, oder sie geben sich die Erlaubnis zu etwas. Wenn Dir also ständig gesagt wurde, Du darfst dies nicht und Du darfst das nicht, dann könnte es durchaus eine sinnvolle und fruchtbare Re-Programmierung sein, wenn Du Dir "erlaubst" um Unterstützung zu bitten oder das Bedürfnis nach Sex zu haben. Solche Worte sind mehr als nur ein semantischer Trick, um in die Gegenwart und die Handelbarkeit zu kommen. Sie sind mitunter sehr individuelle Schlüsselwörter zum Umgang mit dem Unbewussten. Schreibe mir, wenn Du weitere Schlüsselwörter findest, die bei Dir oder Deinen Freunden funktioniert haben!