Respektierst Du die Lebenszeit Deiner Rezipienten?
Was ist ein Rezipient? Es ist der Empfänger Deiner Botschaft. Es
ist nicht der Empfänger einer Ware oder einer Radiowelle. Und weil der
Empfänger - je nach Medium - ein Leser sein könnte, ein Hörer,
Gesprächspartner oder Zuschauer, wird er hier mit dem Oberbegriff
Rezipient bezeichnet, der alle diese Formen des Empfangs von Kommunikation
auf sich vereint.
Was ist Deine Botschaft? Das ist alles, was Du mitteilst. Es ist
nicht dass, was Du mitteilen willst und nicht das, was verstanden wird,
nur das, was tatsächlich mitgeteilt wurde, der Text, der Ton, das Bild,
nicht seine Bedeutung, Deine Absicht und andere subjektive Merkmale, die
der Botschaft von Sender oder Empfänger beigelegt oder zugeschrieben
werden.
Was ist die Lebenszeit? Das ist die ganze Zeit, die Dein Rezipient
lebt, von der Geburt, bis zum Tod, ob er Deine Botschaft erhält, oder
nicht; ob er sie ließt, hört oder sieht oder nicht; ob er sie
(miss)versteht oder nicht; ob er darauf reagiert oder nicht.
Multiplikation der Lebenszeit: Im Falle eines Gespräches unter 4
Augen, von Angesicht zu Angesicht, ohne Mithörer, ist der Multiplikator 1.
Auch wenn Dein Gesprächspartner später anderen Rezipienten Mitteilung von
dem macht, worüber Ihr gesprochen habt, so sind diese anderen Rezipienten
nicht Deine Rezipienten, sondern seine Rezipienten. Es ist seine
Entscheidung, ob er etwas erzählt, was er erzählt und wem er es erzählt.
Das betrifft also die Lebenszeit Seiner Rezipienten und nicht die
Lebenszeit Deiner Rezipienten. Das liegt in Seiner Verantwortung und nicht
in Deiner Verantwortung.
Abhängig vom Medium Deiner Wahl kann der Multiplikator sehr, sehr groß
werden. In einer innerfamiliären WhatsApp-Gruppe könnte er z.B. 4 sein.
Als Anschlag eines Zettels im Eingangsbereich Deines Mietshauses könnte er
20 sein. Als Hörer Deiner Rede vor einer Hochzeitsgesellschaft wird er
leicht dreistellig. Dein Leserbrief in einer Lokalzeitung könnte eine
vierstellige Leserschaft bekommen. Deswegen ist es üblich, dass ein
Redakteur eine Auswahl trifft und ggf. Leserbriefe auch kürzt. Schreibst
Du ein Buch, wirst Du auf eine mindestens 5stellige Leserschaft hoffen,
20.000 Menschen oder mehr. Deswegen ist es üblich, dass ein Lektor das
Buch gründlich prüft und mindestens die Rechtschreibung korrigiert. Auch
machen Verlage regelmäßig Veränderungsvorschläge. Wenn Du im Fernsehen
auftrittst kannst Du mitunter mit einem Millionenpublikum rechnen. Daher
überlegt man sich gut, wen man in eine Live-Sendung läßt, beobachtet das
Geschehen sehr aufmerksam auf den Monitore und hat immer den Finger am
Stummschaltknopf. Sendungen, die nicht life gesendet werden, unterliegen
einem oft sehr aufwendigen Postproduktion.
Auch die Zuschauer von Wiederholungen erhöhen den Multiplikator, nicht die
Zuschauer von Berichten über die Sendung, denn diesen Bericht
verfasst ein anderer.
Völlig unkalkulierbar ist der Multiplikator von Kommentaren unter
Onlinezeitungsartikeln, YouTube-Filmen, facebook-Beiträgen, Google-Plätzen
etc. Einerseits ist es völlig unabsehbar, welche Popularität z.B. einzelne
YouTube-Clips einmal erreichen werden. Beispiel: PSY - GANGNAM
STYLE(강남스타일) M/V hat inzwischen (9/2018) 3,2 Milliarden Aufrufe
erreicht. Andererseits sollte sich niemand einbilden, dass sein Kommentar
nicht in den bisher fast 5 Millionen anderer Kommentare untergeht und
überhaupt jemals gelesen werde.
Das bedeutet, dass die Möglichkeit des "Selbstverlages" mittels Internet
einen beliebig hohen Multiplikator nach sich ziehen, zumal Archive wie die Wayback
Machine auch inzwischen gelöschte Inhalte weiterhin zugänglich halten.
12-09-2018